Etappe 3:
Am 1.Mai-Wochenende kehren wir nach Templin zurück und knöpfen uns die nächsten Etappen der Uckermärker Landrunde vor: zuerst 37 km nach Boitzenburg, übernachten im Schloss und dann 25 km weiter nach Prenzlau. Als wir losgehen, ist es mal wieder saukalt und es dauert natürlich nicht lange, bis der erste Regenschauer auf uns niederprasselt. Sonne und Regen werden sich den ganzen Tag im 30-Minuten-Takt ablösen, aber in unseren versnobbten, teuren Outdoor-Klamotten merken wir das kaum. Es wird eine großartige Wanderetappe durch Kiefernwälder, Feldraine und kleine Moore. Und die 37 km vergehen wie im Flug, oder besser gesagt im landrauschen.
In Templin stellen wir unser Auto am Busbahnhof ab und gehen die Bahnhofsstraße in Richung Ortsausgang. Rechts abbiegen und die Schillerstraße runter, dann kommt eine kleine Brücke über den Templiner Kanal und es wird grün. Ab hier ist die Uckermärker Landrunde ausgeschildert und der rote Punkt ist in so dichten Abständen gesetzt, dass man sich auch ohne GPS nicht verlaufen kann. In den Hecken am Wiesenrand hören wir wie zur Begrüßung den lauten Gesang der Nachtigallen, während sich über uns die erste dunkle Wolkenfront auftürmt.
Kurz vor dem ehemaligen Gutsdorf Alt-Placht lichtet sich der Wald. Wir laufen durch eine Allee und sehen die kleine Fachwerkkirche näherkommen, die wir schon von früheren Touren kennen.
Es ist, als ob hier die Zeit stehengeblieben wäre. Umgeben von einer Feldsteinmauer und knorrigen, mehr als 500 Jahre alten Linden schaut das "Kirchlein im Grünen" von seiner kleinen Anhöhe herab in die Welt und strahlt eine unglaubliche Kraft aus. Vor mehr als 300 Jahren wurde die Gutskapelle im Stil nordfranzösischer Fachwerkbauten gebaut. Heute ist sie ein einzigartiges Zeitzeugnis für die hugenottische Besiedlungsgeschichte Brandenburgs im 17. Jahrhundert. Das wusste man jedoch nicht immer zu schätzen: Zu DDR Zeiten wäre es fast vorbei gewesen mit der Kirche. Bis zu den Türschlössern wurde alles geklaut, die Kapelle verfiel, niemand kümmerte sich. Erst nach dem Fall der Mauer gründete sich ein Förderverein und das heutige Denkmal wurde mit viel Liebe bis ins letzte Detail restauriert.
Kurz hinter Alt-Placht führt der Weg am Glambecksee vorbei. Wie man auf einer Ufertafel erfährt, gehört dieser kleine, glasklare See zu den wertvollsten Seen der Uckermark. Im Sommer hat das Wasser eine Sichttiefe von bis zu 4 Metern - ein Zeichen dafür, dass der See besonders sauber und nährstoffarm ist. Er ist Heimat für seltene Wasserpflanzen, wie verschiedene Armleuchteralgenarten. Angeln und Baden ist hier trotzdem erlaubt. Allerdings nur in der Nordbucht.
Wir kommen durch den kleinen Ort Gandenitz und laufen dann noch ein gutes Stück durch den Wald, bis wir nach Warthe und zum Großen Warthesee gelangen. Am Großen Warthesee gibt es eine Badestelle mit aufgeschüttetem Sandstrand und einem Sprungturm. Der Wanderweg führt am Ostufer des Sees entlang. Wir sehen einen Mann, der gerade mit seinem kleinen Sohn an einem Holzfloss bastelt. Er erzählt, dass er und seine Frau das Feriengrundstück einer Freundin nutzen dürfen. Für einen Urlaub weiter weg fehlt ihnen mit ihren vier Kindern das Geld. So schön wie sie es hier haben, stört sie das allerdings auch nicht.
Wir laufen durch staubige Äcker und genießen den Blick auf die schweren Wolken, die sich im harten Sonnenlicht dramatisch über die Moränenhügel schieben. Es ist schon nach 17 Uhr und wir haben jetzt Zeitdruck. Anreise auf Schloss Boitzenburg ist bis acht und es liegen noch etwa 12 km vor uns. Ensprechend schnellen Schrittes sind wir nun unterwegs. Im Wald fällt das Abendlicht auf die kleinen Tümpel und Sümpfe. Immer wieder ein Blick auf die Uhr. Kurz vor Boitzenburg - das Schloss haben wir schon durch die Bäume gesehen - entdecken wir etwa zweihundert Meter vor uns einen Hasen auf dem Weg. Doch passend zur märchenhaften Landschaft, rennt dieser Hase nicht vor uns davon, sondern direkt auf uns zu. Einige Meter vor uns bleibt er stehen und scheint kurz nachzudenken. Er setzt sich, reibt seine langen Vorderpfoten, und schwupps rennt er in die entgegengesetzte Richtung davon.
Kurz vor acht erreichen wir endlich das Schloss und laden unsere Rucksäcke in unserem Zimmer in der "Dependance" ab. Die Depandance ist eigentlich ein Plattenbau aus DDR Zeiten, direkt gegenüber vom Schloss. Hier bekommt man für 40 Euro ein einfaches Doppelzimmer mit Frühstück. Das Gebäude ist schon etwas runtergerockt, aber die Zimmer sind sauber und für eine Nacht völlig ok. Das Frühstück am nächsten Morgen ist sogar richtig toll. Man speist in einem großen Saal im Schloss. Am Büffet gibt es frischen grünen Salat, Tomaten, Rührei mit Speck, Körnerbrötchen, eine große Auswahl an Marmelade, Käse und Wurst, Frühstücksflocken, Orangensaft und und und. Und auch die Mitarbeiter waren alle extrem - ich würde sagen für Brandenburg sogar ungewohnt - freundlich. Wer abends noch im Schloss essen möchte, sollte einplanen, dass die Küche nur bis 19:30 Uhr und das Restaurant um 20 Uhr schließt. Um die Zeit hat sonst nur noch der Gasthof zum grünen Baum geöffnet, wo wir glücklicherweise noch einen Tisch bekommen haben.
Nachdem die Dame an der Schlossrezeption uns mit dem Warnung losgeschickt hatte, die Küche im Gasthof sei etwas "alternativ", waren wir dann umso positiver überrascht. Man findet hier zwar nicht das klassische Schnitzel mit Pommes, dafür aber viele interessante Gerichte. Was man in Kauf nehmen muss, ist die lange Wartezeit aufs Essen. Wir haben etwas mehr als eine Stunde gewartet, bekamen dafür aber einen unglaublich leckeren Gruß aus der Küche: Selbstgebackenes Brot mit Kresse, Giersch-Pesto und einem Spargel-Erdbeer-Salat. Auch die Burger, die wir bestellt hatten, waren sehr gut.
Wer es bodenständiger mag, dem empfehle ich das Wirtshaus zur Klostermühle. Hier gibts klassische Gerichte und das Essen ist etwas günstiger als im Gasthof zum grünen Baum. Letztes Jahr habe ich dort ein sehr gutes Rehragout mit selbstgemachten Spätzle gegessen. Und wenn man schon mal da ist, sollte man auf jeden Fall die alte Museumsmühle nebenan anschauen. Dank der Sammelleidenschaft des letzten Müllers ist die Mühle mitsamt der ganzen Mühlentechnik noch vollständig erhalten. Achtung: Restaurant und Mühle haben nur bis 17 Uhr geöffnet.
Nach einem lustigen Abend im gut gefüllten Restaurant des Gasthof zum grünen Baum, setzen wir am Ostersonntag unsere Wanderung fort. Wir gehen die Dorfstraße entlang und überqueren die Bahngleise. Der Weg führt über eine große Wiese in den Wald. Es regnet, es ist kalt und wir sind die einzigen, die jetzt durchs Land streifen.
Nicht weit von Ringenwalde kommen wir mitten im Wald an einem alten Steinbruch vorbei. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die "Feldsteinpackung" zugunsten ergiebigerer Gebiete am Werbellinsee aufgegeben. Überall liegen Steine herum. Auch die mehr als 100 Meter lange Bruchkante ist unter dem Laub noch zu erahnen. Wir wandern weiter und kommen in den winzigen Ort Libbesicke - eine Lichtung im Wald mit nicht mehr als 6 Häusern. Davon die meisten private Ferienhäuser. Ein Auto parkt auf der Wiese am Dorfeingang. Ein älter Mann, der eben noch etwas vor seinem Grundstück zu tun hatte, verschwindet schnell wieder hinter dem hohen, blickdichten Zaun. Wie hat Daniel es so treffend gesagt: Wenn noch mal die Pest in Deutschland ausbrechen sollte, bist du in Libbesicke sicher. Ein vergessener Ort.
Ganz in der Nähe liegt der Libbesicke See. Wir verlassen den Wanderweg für ein Stück, um am Seeufer weiterzugehen. So wenig ausgetreten wie der Uferweg ist, scheinen auch im Sommer kaum Leute hier zu sein. Dabei ist es ein herrlicher See zum baden. Wir gehen weiter in Richtung Lübelowsee. Kurz vor Ahlimbsmühle steigt der Weg an und durch den Kiefernwald sehen wir eine riesige Wüstenlandschaft. Trotz des heftigen Regengusses wollen wir wissen, was man hier mit einem so hohen Elekrozaun gesichert hat. Wir zweigen ab und gehen am Zaun entlang, bis wir eine Infotafel sehen. Aha, nur eine Sandgrube, die renaturiert wird. Ein Schwanenpaar ist hier schon heimisch geworden und zieht aufgeregt Kreise um sein Nest. Wir überqueren die Hauptstraße in Ahlimbsmühle und sind gleich wieder raus aus dem Ort.
Die letzte Etappe des Weges führt uns durch einige Siedlungen - Großer Eichwerder, Kleiner Eichwerder, Petersdorfer Siedlung - alle direkt am Lübesee oder nicht weit davon entfernt. Der Lübbesee hat eine sehr gute Wasserqualität. Wahrscheinlich auch, weil er nur von Booten mit Elektromotor befahren werden darf. Wir kommen an wunderschönen Häusern vorbei, von alten Seevillen bis zu Ferienhäusern im Bauhausstil ist alles dabei. Die Stege sind fast alle privat und abgesperrt, doch ab und zu kann man auch ganz offiziell ans Wasser. Nach einer sehr langen Strecke am Ufer entlang, führt der Weg in ein Waldstück. Menschen mit Hunden kommen uns entgegen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir schon fast in der Stadt sind. In Templin verlassen wir die Uckermärker Landrunde voerst - durchgefroren, aber glücklich - und freuen uns auf wärmeres Wetter für die nächsten Etappen.
Die Uckermark wird auch die Toskana Deutschlands genannt. Aber eigentlich hat sie ihre ganz eigene Schönheit. Für mich ist sie mit ihrer sanft hügeligen Landschaft und ihrem endlos weiten Himmel in jedem Fall einer der schönsten Orte, an denen ich bisher gewesen bin. Wer hier wandert, trifft auf dichte Kiefern- und lichte Buchenwälder, ausgedehnte Felder, glasklare Seen und kleine Dörfer. Oft kann man den ganzen Tag lang laufen, ohne einem Menschen zu begegnen.
Von den vielen ausgeschilderten Wegen durch die Uckermark ist die Uckermärker Landrunde sicher der längste. In 6 Tagesetappen führt der gut 160 Kilometer lange Rundwanderweg durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und den Naturpark Uckermärkische Seen. Die Kilometeranzahl steigert sich von der ersten Etappe mit 15 Kilometern auf 37 Kilometer bei der letzten Etappe. Wir haben die Wanderung am verlängerten Osterwochenende begonnen und wegen des kühlen Aprilwetters erst mal nur 2 Etappen gemacht – an zwei Tagen mit einer Übernachtung. Der Einstieg ist überall möglich, wir sind in Angermünde gestartet.
Wir wechseln durch die Bahnhofsunterführung auf die andere Seite der Gleise, gehen durch das Neubaugebiet und sind in weniger als 10 Minuten raus aus der Stadt und mitten in der Natur. Durch den Wald gelangen wir an den Wolletzsee. Rechts von uns befindet sich der kleine Ort Wolletz, von dem wir vom Ufer aus Teile der Rehaklinik und eine Restaurantterasse mit Ausblick auf den See sehen. Jetzt – bei 10 Grad – steht hier allerdings nur ein fröstelnder Raucher. Wir verlassen Wolletz in Richtung Peetzig. Kurz vor Peetzig lichtet sich die Landschaft und wir wandern auf Sandwegen durch Wiesen und Felder. Links von uns liegt ein kleiner See. Wir biegen kurz ab und finden dort eine kleine Badestelle, an der man im Sommer direkt in den See springen könnte. Bevor es in den Ort geht, biegt der Weg nach links in Richtung Poratz ab. Von weitem sehen wir am Waldrand eine Herde Damwild. Als wir näher kommen, galoppieren sie mit leuchtend weißen Hinterteilen davon.
Wir wandern weiter durch den Kiefernwald und gehen durch eine Unterführung unter der Autobahn hindurch. Bis auf die paar Meter vor und nach der Autobahn sind keine Straßen in der Nähe und man hört nichts als das Gezwitscher der Vögel und das Knarren halb umgestürzter Kiefern. Als wir in das kleine ehemalige Köhlerdorf Poratz kommen, sind wir überrascht: So ein unfassbar schönes Fachwerkdorf haben wir in diesem dichten Wald nicht erwartet. Die Kennzeichen der Autos vor den restaurierten alten Häusern sind für uns jedoch keine Überraschung: fast alles Berliner, die sich hier ihren Traum vom Wochenendhaus in der Uckermark verwirklicht haben. Nach der Wende gab es hier wie überall in der DDR einen richtigen Ausverkauf – wer schlau war, sicherte sich damals fürn Appel undn Ei eines der historischen Häuser in den verwunschenen Uckermark-Dörfern.
Von Poratz sind es noch etwa 5 Kilometer bis nach Ringenwalde, wo wir ein Zimmer im Landgasthof zum Grünen Baum reseviert haben. Für 55 Euro die Nacht mit Frühstück. Während der Himmel den ganzen Tag über nur mit schwarzen Wolken gedroht hatte, beginnt es nun leicht zu regnen. Die letzten Kilometer sind bekanntlich die schwersten und so schleppen wir unsere schmerzenden Füße über die alte Kopfsteinstraße. Im Gasthof angekommen werden wir sehr freundlich empfangen und fühlen uns auf Anhieb wohl. Das Zimmer ist für den Preis ok. Wer etwas höhere Ansprüche an die Unterkunft stellt, findet im Ort wahrscheinlich schönere, aber auch teurere Unterkünfte. Zum Beispiel über AirBnB. Ein Besuch im Gasthof lohnt sich auf jeden Fall. Die Küche ist regional und saisonal und hat es in den Slow Food Genussführer 2017 geschafft. Wir haben beide ein riesiges Schnitzel vom Brandenburger Molkeschwein gegessen, dazu Spargel und Bratkartoffeln. Ein Tipp: Das Restaurant ist klein und an Wochenenden und Feiertagen ziemlich gut besucht. Eine Reservierung lohnt sich in jedem Fall.